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23.2.13

Haftung des Internet-Anschlussinhabers für Urheberrechtsverletzungen Dritter


Von mir erscheinen regelmässig Urteilszusammenfassungen zum Verbraucherschutz im Internet in der Zeitschrift VuR. In Heft 2/2013 geht es um die Haftung eines Anschlussinahbers für die Rechtsverletzungen seines Ehemannes.

Im Verhältnis einer Ehefrau als Internetanschlussinhaberin zu ihrem Ehemann als überwiegendem Nutzer des Anschlusses bestehen keine vergleichbaren Kontrollpflichten wie im Verhältnis der Eltern zu ihren – insbesondere minderjährigen – Kindern oder anderen Hausgenossen.

(Leitsatz des Verfassers)

OLG Köln, Urteil v. 16.05.2012, Az. 6 U 239/11

Sachverhalt (zusammengefasst)
Vom Internetanschluss der Beklagten aus wurden Ende 2009 innerhalb von Peer-to-Peer-Netzwerken Dateien mit funktionsfähigen Versionen eines Computerspiels, das der Spielbeschreibung zufolge First-Person-Shooter-Action mit Taktikelementen kombiniert, öffentlich zugänglich gemacht. Die Klägerin hat an diesem die ausschließlichen Nutzungsrechte inne. Die Beklagte verteidigt sich gegen die nach erfolgloser Abmahnung hin erhobene Klage auf Unterlassung und Scha­dens­ersatz damit, dass auch ihr am 21.04.2010 verstorbener Ehemann den Internetanschluss genutzt und sich um alle damit zusammenhängenden Fragen gekümmert habe. Vor seinem Tod habe sie den Sachverhalt mit ihm nicht mehr erörtern können; danach habe sie auf dem Rechner keine auf die Rechtsverletzung hindeutenden Dateien gefunden.


Gründe (zusammengefasst):
Das OLG Köln hat die Verurteilung der Klägerin durch das Berufungsgericht aufgehoben.
Es stehe nicht fest, dass gerade die Beklagte für die über den Internetanschluss begangenen Rechtsverletzungen verantwortlich ist und deshalb auf Unterlassung oder Schadensersatz haftet (§ 97 Abs. 1 und 2 UrhG).

Für ein täterschaftliches Handeln der Beklagten hat die Klägerin keine hinreichenden tatsächlichen Anhaltspunkte dargelegt und unter Beweis gestellt. Die Täterschaft des beklagten Anschlussinhabers ist als anspruchsbegründende Tatsache nach allgemeinen zivilprozessualen Grund­sätzen vom Kläger darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen. Zu seinen Gunsten gelten dabei gewisse Beweiserleichterungen: Wird ein geschütztes Werk von einer IP-Adresse aus öffentlich zugänglich gemacht, die zum fraglichen Zeitpunkt einer bestimmten Person zugeteilt ist, spricht eine tatsächliche Vermutung dafür, dass diese Person für die Rechtsverletzung verantwortlich ist; daraus ergibt sich eine sekundäre Darlegungslast des Anschlussinhabers, der geltend macht, eine andere Person habe die Rechtsverletzung begangen (BGHZ 185, 330 – Sommer unseres Lebens). Eine Umkehr der Beweislast ist damit zwar nicht verbunden. Der Prozessgegner muss aber (zur Vermeidung der Geständnisfiktion aus § 138 Abs. 3 ZPO) im Rahmen des Zumutbaren die behaupteten Tatsachen unter Darlegung der für das Gegenteil sprechenden Tatsachen und Umstände substantiiert bestreiten (vgl. BGH, NJW 2008, 982). Er muss jedoch nicht durch eigene Nachforschungen aufklären, wer Täter der Rechtsverletzung ist (vgl. OLG Hamm, MMR 2012, 40).

Die Vermutung der Verantwortlichkeit beruht auf der Annahme eines der Lebenserfahrung entsprechenden Geschehensablaufs, wonach in erster Linie der Anschlussinhaber seinen Internetzugang nutzt, jedenfalls über die Art und Weise der Nutzung bestimmt und diese mit Tatherrschaft bewusst kontrolliert. Diese Annahme wird erschüttert und die Vermutungsgrundlage beseitigt, wenn Umstände feststehen, aus denen sich die ernsthafte Möglichkeit eines anderen Geschehensablaufs – nämlich der Alleintäterschaft eines anderen Nutzers des Internetanschlusses – ergibt. Dafür wird es regelmäßig genügen, wenn Hausgenossen des Anschluss­inhabers – wie sein Ehegatte – selbständig auf den Internetanschluss zugreifen können.

Das Gericht hielt den Vortrag der Beklagten für plausibel, wonach sie bis zur Abmahnung der Klägerin weder das streitbefangene Computerspiel gekannt noch um Software für die Teilnahme an Internettauschbörsen gewusst habe. Schon die Art des Computerspiels dürfte eher auf einen männlichen Nutzer hindeuten und die Darlegung der Beklagten, dass der Internetanschluss überwiegend von ihrem nicht berufstätigen Ehemann genutzt worden sei, erscheint lebensnah und einleuchtend.

Nachdem die Beklagte somit ihrer sekundären Darlegungslast genügt hat, war es wiederum Sache der (primär) beweisbelasteten Klägerin, die plausible Gegendarstellung der Beklagten zu entkräften oder zusätzliche für ihre Täterschaft sprechende Umstände darzulegen und unter Beweis zu stellen. Diese habe jedoch erklärt, über keine weiteren Beweis­mittel zu verfügen.

Eine Haftung der Beklagten als Teilnehmerin einer fremden Haupttat (vgl. §§ 26, 27 StGB, § 830 Abs. 2 BGB) scheitert daran, dass nicht festgestellt werden konnte, dass sie wenigstens bedingten Vorsatz in Bezug auf die Haupttat hatte.

Die Klägerin haftet auch nicht unter dem Gesichtspunkt der Störerhaftung oder unter dem Gesichtspunkt des gefahrerhöhenden Verhaltens aus der Verletzung einer Verkehrspflicht. Als Störer kann analog § 1004 BGB bei der Verletzung absoluter Rechte auf Unterlassung in Anspruch genommen werden, wer – ohne Täter oder Teilnehmer zu sein – in irgendeiner Weise willentlich und adäquat kausal zur Verletzung des geschützten Rechts beiträgt. Da die Störerhaftung nicht über Gebühr auf Dritte erstreckt werden darf, die die rechtswidrige Beeinträchtigung nicht selbst vorgenommen haben, setzt die Haftung des Störers allerdings die Verletzung zumutbarer Verhaltenspflichten, insbesondere von Prüfpflichten, voraus. Ob und inwieweit dem Störer als in Anspruch Genommenem eine Prüfung zuzumuten ist, richtet sich nach den jeweiligen Umständen des Einzelfalls unter Berücksichtigung seiner Funktion und Aufgabenstellung sowie mit Blick auf die Eigenverantwortung desjenigen, der die rechtswidrige Beeinträchtigung selbst unmittelbar vorgenommen hat.

Im Verhältnis der Beklagten zu ihrem verstorbenen Ehemann konnte das OLG Köln keine Verletzung zumutbarer Prüfpflichten festzustellen. Es waren keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die Beklagte wusste oder annehmen musste, ihr Ehepartner werde über ihren Internetanschluss Rechtsverletzungen begehen, die sie durch zumutbare Maßnahmen verhindern konnte. Insbesondere war nicht feststellbar, dass es auch noch nach der Abmahnung der Klägerin zu Urheberrechtsverstößen unter Benutzung des Internetzugangs gekommen ist.

Von einer anlasslosen zumutbaren Prüf- und Kontrollpflicht der Beklagten gegenüber ihrem Ehemann ist nicht auszugehen. Im Verhältnis einer Ehefrau als Internetanschlussinhaberin zu ihrem Ehemann als überwiegendem Nutzer eines solchen Anschlusses bestehen keine vergleichbaren Kontrollpflichten wie im Verhältnis der Eltern zu ihren – insbesondere minderjährigen – Kindern oder anderen Hausgenossen. Etwas anderes folgt auch nicht aus der „Halzband“-Entscheidung des BGH (BGHZ 180, 134). Dort ging es darum, dass der beklagte Ehemann das Passwort zu seinem eBay-Mitgliedskonto nicht unter Verschluss gehalten, sondern in dem auch seiner Ehefrau zugänglichen Schreibtisch so verwahrt hatte, dass diese ohne Schwierigkeiten davon Kenntnis nehmen konnte. Der BGH hat angenommen, dass er damit seine nach den Allgemeinen Geschäftsbedingungen von eBay bestehende Pflicht, die Zugangsdaten so geheimzuhalten, dass Dritte davon keine Kenntnis erlangen können, in einer Weise verletzt habe, die seine Haftung für die von seiner Ehefrau möglicherweise unter Verwendung dieser Daten begangenen Rechtsverletzungen begründen kann. Für die Überlassung eines Internetanschlusses gelten in Bezug auf die Störerhaftung für die Verletzung absoluter Rechte jedoch andere Maßstäbe. Beide Konstellationen sind nicht miteinander vergleichbar. Im Streitfall geht es nicht um ein eBay-Mitgliedskonto, über das Rechtsgeschäfte abgewickelt werden, für das besondere Regeln gelten und dessen Nutzung bereits für sich genommen eine gewisse erhöhte Gefahr von Verletzungen fremder Kennzeichen- oder Urheberrechte begründen mag. Es geht vielmehr um die Nutzung eines auf den Namen eines Ehegatten laufenden Internetanschlusses, der – wie ein Telefonanschluss – regelmäßig von beiden Ehegatten gemeinsam benutzt wird. Hier kann der Inhaber nicht ohne besonderen Anlass für alle Kommunikation, die über diesen Anschluss stattfindet, verantwortlich gemacht werden.

Aufgrund dieser Erwägungen liegt auch kein relevantes gefahrerhöhendes Verhalten der Beklagten im Sinne einer Verletzung von Verkehrspflichten vor, die eine Mithaftung begründet.

Praxishinweis:
Die Haftung des Anschlussinhabers und des Betreibers eines drahtlosen lokalen Netzwerks für Rechtsverletzungen Dritter hat die Rechtsprechung in den letzten Jahren des Öfteren beschäftigt (den Diskussionsstand zusammenfassend Galetzka/Stamer, K&R Beihefter 2/2012 zu Heft 6). Zahlreiche Entscheidungen liegen dabei zu dem Komplex der Prüfungs- und Überwachungspflichten des Anschlussinhabers vor, wenn er seinen Kindern den Internetzugang zur Mitnutzung zur Verfügung stellt. Eine einheitliche Linie ließ sich daraus allerdings lange Zeit nicht ableiten. Das OLG Frankfurt verlangt z.B. ein Tätigwerden des Anschlussinhabers erst dann, wenn konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass ein Nutzer den Anschluss für Rechtsverletzungen missbrauchen werde (Urteil v. 20.12.2007, Az. 11 W 58/07). Dahingegen legte das LG Hamburg einen wesentlich strengeren Maßstab an. Nach diesem muss der Anschlussinhaber auch technische Möglichkeiten einsetzen, um Urheberrechtsverletzungen durch Filesharing zu unterbinden (Urteil v. 15.7.2008, Az. 310 O 144/08).

Das Urteil des BGH vom 15.11.2012 dürfte in Zukunft für mehr Rechtssicherheit sorgen (Az. I ZR 74/12 – Morpheus). Nach der Pressemitteilung des Gerichts genügen Eltern ihrer Aufsichtspflicht über ein normal entwickeltes 13-jähriges Kindes regelmäßig bereits dadurch, dass sie es über das Verbot einer rechtswidrigen Teilnahme an Internettauschbörsen belehren. Eine Verpflichtung der Eltern, die Nutzung des Internet durch das Kind zu überwachen, den Computer des Kindes zu überprüfen oder dem Kind den Zugang zum Internet (teilweise) zu versperren, besteht grundsätzlich nicht. Zu derartigen Maßnahmen sind Eltern erst verpflichtet, wenn sie konkrete Anhaltspunkte für eine rechtsverletzende Nutzung des Internetanschlusses durch das Kind haben.

An der hier vorgestellten Entscheidung sind insbesondere die Ausführungen des OLG zur sekundären Darlegungslast für die anwaltliche Beratung von Bedeutung. Bislang gibt es auch diesbzgl. noch keine einheitliche Linie der Gerichte und es stellt sich die Frage, wie weit diese Darlegungslast reicht. Genügt der Vortrag, nicht zu wissen, wer aus dem Familienkreis die Rechtsverletzung begangen hat? Oder bedarf es Nachforschungen? Der BGH hatte in seiner Entscheidung Sommer unseres Lebens die Ansicht gestützt, dass im Wege des Anscheinsbeweises eine tatsächliche Vermutung dafür spreche, dass der Anschlussinhaber für eine Rechtsverletzung verantwortlich sei. Welche Umstände der Anschlussinhaber zur Erschütterung des Anscheinsbeweises vortragen muss, konnte er unentschieden lassen. Im konkreten Fall war nachgewiesen, dass sich der Antragsteller zum fraglichen Zeitpunkt im Urlaub befand. Das Urteil des OLG Köln konkretisiert nun die sekundäre Darlegungslast und weist in die zutreffende Richtung, dass es dem Anschlussinhaber nicht obliegen kann, den Beweis für seine Nichtverantwortlichkeit anzutreten. Auf dieser Linie bewegt sich auch ein früheres Urteil des OLG Hamm (27.10.2011, Az. 22 W 82/11). Dem Gericht genügte der Vortrag, dass außer dem Beklagten auch seine Frau und seine Schwiegereltern Zugang zu seinen WLAN-Anschluss gehabt haben.


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