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17.10.12

Filterpflichten von Anbietern - EuGH contra BGH?



Ausgangspunkt der Betrachtung zu den Filterpflichten eines Anbieters ist die Rechtsprechung des EuGH, wonach Vermittlern Maßnahmen aufgegeben werden dürfen, die nicht nur der Beendigung der mittels ihrer Dienste begangenen Rechtsverletzungen, sondern auch der Vorbeugung von neuen Rechtsverletzungen dienen. In dem Urteil L’Oreal v. eBay (Urteil v. 19.07.2011, Az. C‑324/09) erwähnt der EuGH erstmals einige zulässige Anordnungen gegen Anbieter, allerdings ausdrücklich ohne diese abschließend aufzuzeigen:

1. Ein Anbieter (hier einer Auktionsplattform) kann durch gerichtliche Anordnung gezwungen werden, den Urheber der Verletzung von Rechten des geistigen Eigentums auszuschließen, um zu vermeiden, dass erneute derartige Verletzungen derselben Marken durch denselben Händler auftreten.

2. Dem Anbieter kann aufgegeben werden, Maßnahmen zu ergreifen, die die Identifizierung seiner als Verkäufer auftretenden Kunden erleichtern.

Was auffällt: Der EuGH spricht nur Maßnahmen an, die ein Anbieter gegen den Nutzer ergreifen muss, von dem die ursprüngliche Rechtsverletzung ausgeht. Diesen muss er ggf. von seinem Dienst ausschließen oder dem in seinen Rechten Verletzten helfen, ihn zu identifizieren. Damit ist ein ganz enger Radius von Maßnahmen angesprochen. Das Modell des BGH, dass ein Anbieter kerngleiche Rechtsverletzungen auch durch Dritte in Zukunft zu unterbinden hat, ist davon sehr weit entfernt.





Jetzt konnte man zunächst noch argumentieren, dass die Aufzählung ja nicht abschließend war und der EuGH sich zunächst nicht zu weit hinauswagen wollte. In der Folge hatte der EuGH sich jedoch mit Sperrverfügungen gegen Providern auseinanderzusetzen, in Scarlet Extended gegen einen Access-, in SABAM gegen einen Hostprovider (Urteil vom 24.11.2011, Az. C-70/10 bzw. Urteil vom 16.2.2012, Az. C-360/10). In Scarlet Extended hat er festgestellt, dass einem Anbieter kein System der Filterung aufgegeben werden darf,

- das unterschiedslos alle Kunden betrifft,
- präventiv arbeitet,
- auf eigene Kosten des Anbieters betrieben wird und
- zeitlich unbegrenzt ist.

Eine derartige Anordnung wäre als allgemeine Überwachungspflicht nach Art. 15 der E-Commerce-Richtlinie unzulässig und wäre auch nicht mit Art. 3 der RL 2004/48 zu vereinbaren, wonach Maßnahmen gerecht und verhältnismäßig sein müssen und nicht übermäßig kostspielig sein dürfen.

Diese Erwägungen hat der EuGH dann in SABAM auf einen Host-Provider übertragen, was – ohne dies hier vertiefen zu wollen – in der Literatur auf einige Kritik gestoßen ist. Festzuhalten bleibt aber, dass der EuGH damit exzessiven Filterpflichten eine klare Absage erteilt hat. Der BGH mit der Verpflichtung zur Vermeidung zukünftiger kerngleicher Verletzungen befindet sich sehr sehr nahe an dem hier beschriebenen System. Eine zeitliche Begrenzung zur Filterung kennt er nicht. Der Anbieter ist verpflichtet, letztlich alle Daten von seinen Nutzern zu überwachen, damit nicht wieder eine Rechtsverletzung wie die ihm zunächst Berichtete geschieht. Der BGH freilich sieht sich in keinerlei Widerspruch zum EuGH und anscheinend auch keine Notwendigkeit zu einer Vorlage. Eine solche wäre aber umso nötiger, als jetzt auch eine gegenläufige Entscheidung aus Frankreich vorliegt. Die Cour de Cassation hatte sich mit den Filterpflichten bei YouTube auseinanderzusetzen und entschieden, dass Google keine Suche nach gesetzeswidrigen Uploads vorgeschrieben werden kann (Urteil vom 12.7.2012). Dies sei eine unzulässige allgemeine Überwachungspflicht. Waren es in den Urteilen des EuGH mehrere Kriterien, die zusammen zur Unzulässigkeit der angeordneten Maßnahme führten, genügte dem französischen Gericht bereits das Kriterium „ohne zeitliche Einschränkung“, um die Sperrmaßnahme als unverhältnismäßig einzustufen. Das Urteil ist damit klar gegensätzlich zur BGH-Rechtsprechung!

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